Tugend der Hilfsbereitschaft Kern aller Professionalisierung

Veröffentlicht am 09.02.2015

"Zur Logik der Diakonie" versammelten sich rund 30 theologische Vorstände der diakonischen Gemeinschaften und Werke des Kaiserswerther Verbandes KWV zu ihrer Jahrestagung vom 28. bis 30. Januar in Speyer.

Zum Thema „Die Gerechtigkeit Gottes und die Diakonie der Menschen“ sprach Prof. em. Dr. Dr. Dres. h.c. Michael Welker, Seniorprofessor für Theologie an der Universität Heidelberg und geschäftsführender Direktor des dortigen Forschungszentrums Internationale und Interdisziplinäre Theologie. Er entfaltete den Zusammenhang von Recht, Erbarmen und Kult, wie er sich in der biblischen Überlieferung finde, als grundlegend für eine verlässliche Kultur des Helfens und eine Fortentwicklung humanitärer Moral. Gottes Geist zeige seine schöpferische Kraft, wo es zur freien Selbstzurücknahme zugunsten anderen Lebens komme.

Neben demographischen und säkular-politischen Fragen spiegelte Welker die Situation von Diakonie und Kirche im ökonomisch-religionskritischen Kontext. Wirtschaftliche Konkurrenzinteressen wendeten sich gegen kirchlich-diakonische Gemeinnützigkeitsvorteile, so Welker. Die Wirklichkeit eines naturalistisch-reduzierten Bildes vom Menschsein und das Schwinden der Plausibilität von Religion täten das Übrige. Dem gegenüber stünde jedoch ein sehr hohes Ansehen von Diakonie und Caritas in Deutschland, betonte Welker. Eine an Freiheit orientierte Zivilgesellschaft bedürfe eines Ethos von Recht und Erbarmen. Kirche und Diakonie hätten ihre Aufgabe darin, dies bewusst zu halten.

Dr. Thorsten Moos, Leiter des Arbeitsbereiches Religion, Recht und Kultur der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) an der Universität Heidelberg, thematisierte die „Ökonomie des Helfens und die Logik der Nächstenliebe“. Moos resümiert: „Die Logik der Ökonomie scheint die Logik des Helfens zu unterwerfen, und viele empfinden ein tiefes Unbehagen darüber“. Jedoch sei nicht alles, was sich als problematisch zeige, auf die Ökonomisierung zurückzuführen, eine „Universalklage“ sei also nicht angebracht.

Trotz einer Rationalisierungsdynamik gelte es, die Einheit des Helfens nicht zu verlieren: „Im Kern aller Professionalisierung steht die humane Tugend der Hilfsbereitschaft“. In der Diakonie Kaiserswerther Tradition seien die Diakonissen ein „machtvolles Symbol für diese Einheit“. Je stärker das Lebensmodell der Diakonisse als vergangen erscheine, desto vitaler stelle sich die Frage, inwieweit die professionalisierten und ökonomisch kalkulierten Prozesse „für die Beteiligten noch als Helfen erfahren werden können“.

Die Teilnehmenden, die auf Einladung von Vorsteher Pfr. Dr. Werner Schwartz, Diakonissen Speyer-Mannheim in der dortigen Diakonissenanstalt zusammengekommen waren, darunter auch der Vorsteher des zur internationalen Kaiserswerther Generalkonferenz gehörenden ungarischen Diakonissen-Mutterhauses Fébé Evangélikus Diakonissza in Budapest und der Vorsteher des polnischen Diakonissen-Mutterhauses Diakonat Zenski „Eben-Ezer“ im südpolnischen Dziegielów, tauschten sich außerdem zur „Realität der Diakonie in Werk und Gemeinschaft“ nach der Ära der Diakonissen aus. Eine Exkursion zum Ludwigshafener Werk der BASF, dem größten Chemiestandort der Welt, stand unter dem Thema des Wertemanagements in einem multinationalen Konzern. Eine Führung durch den nächtlichen Dom zu Speyer durch Domkapitular Karl-Ludwig Hundemer beschloss das gemeinsame Programm.

Die nächste Konferenz der Theologischen Vorstände des KWV findet vom 27.-29.1.2016 in Dessau statt.

Der Kaiserswerther Verband (KWV) steht für die Wahrnehmung diakonischer Aufgaben in der evangelischen Kirche in der Tradition der Mutterhausdiakonie Kaiserswerther Prägung. Er vertritt Diakonie in der besonderen Form als Diakonie in Gemeinschaft. Seit fast100 Jahren bildet der KWV ein Netzwerk der diakonischen Kompetenz und der christlichen Nächstenliebe. Er ermöglicht seinen Mitgliedern einen christlich orientierten Werteaustausch, vertritt die Mitglieder in unterschiedlichen politischen, kirchlichen und diakonischen Ebenen und unterstützt sie in ihrer Vernetzung. Der KWV verbindet über 70 diakonische Gemeinschaften und Werke Kaiserswerther Prägung in Deutschland.

Berlin/Bern, den 9. Februar 2015